Follow-up: Open Spaces #2

Ein sonniger Tag in einem belebten Innenhof zwischen Klinkersteingebäuden. Ich genieße die Wärme und fühle mich entspannt und offen. Menschen streifen an mir vorbei, bunt und bewegt. Sie nehmen sich zur Kenntnis, oder auch nicht, tanzen umeinander herum, gehen ihrer Wege. Dieses Bild spiegelt sich in mir und ich bin gleichzeitig Teil davon. Alles steht in einer lebendigen Verbindung, in einem magischen, kosmischen Tanz von Beziehungen, die unser Leben sind.

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Die  Tanzfabrik als Gemeinschaft. Gemeinschaften innerhalb der Europäischen Union und diese selbst als Gemeinschaft. Jegliche Gemeinschaften darüber hinaus und über Grenzen hinweg. Ein gemeinschaftliches Langzeitprojekt. Ein Angebot der gemeinschaftlichen Flucht vor gesellschaftlichen Normen. Der Arbeitsprozess eines Gruppenprojektes. Die Rolle eines Einzelnen in der Gemeinschaft und deren Wechselspiel. Das individuelle Wahrnehmen in der Gemeinschaft. Die kollektive und individuelle Erkundung. Gemeinschaftlicher Protest gegen politische Gegebenheiten. Eine gemeinsame Parade gegen jede Form der Diskriminierung in der Gesellschaft.

All diese Verbindungen kreuzen sich an vier Tagen im Rahmen von OPEN SPACES #2.

In diesen offenen Räumen bieten sich Möglichkeiten aus dem Alltag heraus zu treten oder Themen, die wir mit uns tragen, zu vertiefen, Grenzen zu überschreiten, Perspektiven zu wechseln. Räume, in denen Künstler/innen und Zuschauer Erfahrungen und Gedanken teilen. Ein Wechselspiel entsteht.

 

Personen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen, Meinungen und Ansichten treffen in unterschiedlichen Räumen aufeinander. Wie nehmen wir einander wahr? Können wir lernen, über Unterschiede hinaus neu wahrzunehmen?  Dies fokussierten unter anderem Claire Cunningham & Jess Curtis in ihrem Sharing „The way you look (at me) tonight“ durch die Darstellung von Andersartigkeit.  Man wird angeregt durch Bewegung, Sprache, Schreiben, Beobachten, Zuhören und Fühlen zu erforschen, wie Unterschiede – körperlicher Art oder in Lebenserfahrungen – und Diversität unsere Wahrnehmung prägen und verändern können.

Andersartigkeit, Flucht vor gesellschaftlichen Normen und das Eintauchen in ein Spiel – ein Wechselspiel – in dem man als Zuschauer einer Reihe verschiedener Spiegel begegnet, bot sich in Gerard Reyes Deutschlandpremiere. In „The Principle of Pleasure“ benutzt Reyes Spiegel, die hin und her verschoben werden. Unterschiedliche Perspektiven werden geboten und gewechselt. Wahrnehmungen aus verschiedenen Blickwinkeln. Aus dem Blickwinkel des Anderen.

Auch ein anderer Mensch, kann uns ein Spiegel sein und wir ein Spiegel für andere. Wir erfahren im Spiegeln neue Aspekte unserer selbst und können dann mit einem erweiterten Blick auch die anderen neu sehen. Denn so wie wir Dinge sehen und beurteilen, ist in diesem Moment nicht die ganze Wahrheit. Es ist ein Bild. Unser Bild. Was es uns zeigt, sind Seiten von uns selbst.

Das, was dem Einzelnen begegnet, ist nicht immer gemütlich. Unruhe kann entstehen. Doch mit genügend Offenheit können genau das die fruchtbarsten und transformativsten Momente sein. Ein Schlüssel für völlig neue Ebenen der Begegnung.

Zuschauern wird eine wegweisende Rolle, als Teil eines Open Studios angeboten. Kate McIntosh spielte mit Grenzen von Performance, Theater und Installation und eröffnete im Anschluss eine Feedback-Runde, einen Ort für Austausch und Rückmeldung in Bezug auf ihre Arbeit, die sich noch mitten im Prozess befindet.

Begegnungen – Austausch – Augenblicke – Wahrnehmungen

Neben diesen spannenden Augenblicken boten sich weitere Möglichkeiten der Kommunikation in den parallel laufenden Workshops im Rahmen von Sommer Tanz 2016, unter anderem von Claire Cunningham und Jess Curtis, oder Frédéric Gies, bei denen Leute auf verschiedenen Ebenen in Beziehung treten.

Beispielsweise in einem Raum des Entdeckens und Vertiefens von Verbindungen auf der individuellen Ebene oder des kollektiven Entdeckens des Zusammenspiels von Hormonsystem und Tanz beim Club-Dancing zu Techno.

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Gemeinschaft – ein magisches, dynamisches Gewebe von Verflechtung, Verbindung, Beziehung, das sich auch in uns selbst manifestiert?

Sich seiner Rolle zu widmen, die man in einer Gemeinschaft innehat und einen aktiven Part in einem Langzeitprojekt einzunehmen, thematisiert Juan Dominguez und fordert den Zuschauer auf gemeinsames Engagement in einem fiktiven Konstruktionsprozess sozialer Wirklichkeit zu zeigen. In seiner dritten Staffel von CLEAN ROOM gibt er Denkanstöße zum gemeinsamen Wachsen und Entstehen einer poetischen Transformation. Vielleicht sogar über mehrere Jahre.

Denkanstöße. Impulse. Entwicklung. Mut. Neugier.

Denken wir noch einmal an eine unsere Ausgangsfragen von vor 4 Tagen.

„Was kann man gemeinsam erreichen, was im Alleingang unmöglich bleibt?“

Als Gruppe ist man quantitativ gesehen größer, als eine einzelne Person. In der gleichen Weise, wie eine Gruppe von Tänzern in einem Impro-Setting. Die Ergebnisse zeigen einen qualitativen Gruppenprozess, der den individuellen Beitrag übersteigt. Ohne jeden einzelnen Beitrag würde das Ganze jedoch verschwinden. Dies zeigte Judith Sânchez Ruiz in ihrem Workshopshowing, in dem die Ergebnisse eines Gruppenprojekts aus dem Workshop „Trisha Brown Repertoire Set & Reset“ gezeigt wurden.

Was verbindet nun all die Gemeinschaften? Dahinter verbirgt sich eine Summe von Individuen, die an einem Prozess beteiligt sind. Eine Vielzahl von Beziehungen zwischen Personen vermehren sich im Kontext von gegenwärtigen politischen, sozialen und kulturellen Herausforderungen in der Uferstraße, in Berlin, in Europa, weltweit.

Die entstandenen Verbindungen enden nicht nach 4 Tagen. Sie können in uns nachwirken, und vielleicht zu unerwarteten Zeiten oder in Situationen wieder auftauchen. In dem Raum zwischen den Klinkersteingebäuden bietet sich die nächste Gelegenheit am 27.-29. August. Dort findet an drei Tagen zeitgenössischer Tanz und Performance von Choreograf*innen aus Berlin statt – die Tanznacht Berlin. Die Frage nach den Gefährten scheint dabei aktueller denn je:

„Mit wem oder was gehen wir einen Teil des Weges in einer Welt, die heute so sehr in Bewegung ist wie vielleicht nie zuvor?“

2016-07-25 (2)

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TANZNACHT BERLIN GEFÄHRTEN // 27.-29. August

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